Thimphu, die Hauptstadt ohne Ampeln - Bhutan 2019 - 10
15/16.03. - Thimphu, die Hauptstadt ohne Ampeln
In der Nacht wachen wir immer wieder auf, weil Koffer über die Wege gerollt werden. Ob das wieder chinesische Reisegruppen sind, die nur eine kurze Rast machen und dann wieder weiterfahren? Nein, falsch geraten. Es ist die Eisenbrücke unterhalb des Hotels, von der diese Geräusche kommen wann immer ein Fahrzeug über den Fluss will.
Um 8:30 Uhr geht es los und bevor wir uns auf den Weg nach Thimphu machen geht es erst mal zum Kloster des heiligen Narren. Das ist der, weswegen überall an die Wänden Phallusse gemalt sind. Die stehenden mit tropfendem Sperma sind nützlich für Fertilität. Die mit Schleifchen gelten als Schutz gegen die bösen Geister, für Gesundheit etc. Es gibt auch Mischformen.
„Heiliger Narr“ übrigens, weil er den Buddhismus mit recht unorthodoxen Methoden lehrte. Wer mehr wissen möchte, der schaue doch mal bei Wikipedia unter „Drugpa Künleg“ nach.
Vom kleinen Ort Lobesa aus laufen wir durch die Reisfelder zum Kloster. Auf dem Weg dorthin reihen sich die Läden mit Phallusmotiven wie an einer Perlenschnur auf. Bunt bemalt, mit Streifen oder Augen und Zähnen, im Zweifelsfall auch mal als Flugzeug - wunderbar.
Oben am Kloster setzen sich Tenzin und die beiden Schwestern zu einem Gruppenbild ala Buddha zusammen. Vergangener, Gegenwärtiger und Zukünftiger - natürlich mit korrekter Handhaltung. Das ist wichtig, weil sie vor allem daran auseinanderzuhalten sind.
Selbstverständlich muss das alles fotografisch festgehalten werden. Eine deutsche Touristin findet das toll und fotografiert auch. Natürlich kommen die Damen gleich ins Gespräch.
Das Kloster ist dann nicht sonderlich spektakulär. Jürgen begeht die gute Tat des Tages und rettet eine vorwitzige Katze vor den Hunden. Die fanden es nämlich doch besser sich streicheln zu lassen, als darauf zu warten bis die doofe Katze aus ihrem Versteck hervorkommt.
Auf dem Rückweg zum Auto kaufen wir bei einer der fliegenden Händler einen wunderbar weichen Schal für Jürgen und einen Tigerphallus für Freyas Bruder. Freya bekommt sogar einen Phallus-Schlüsselanhänger geschenkt, traut sich allerdings nicht, den hier in Deutschland zu benutzen.
Vor hier nach Thimphu, der Hauptstadt von Bhutan, dauert es nicht lange. Dies ist auch den mittlerweile ganz passablen Straßen geschuldet. Diese bestehen zwar immer noch vorwiegend aus Kurven, sind aber durchgehend asphaltiert.
Auf dem Dochula Pass, dem letzten unserer Reise, finden sich die Druk Wangyel Chorten. Diese wurden 2004 auf Initiative der König Mutter zum Gedenken an den Sieg über Separatisten errichtet. Von Indien aus hatte man versucht, sich einen Teil des Landes anzueignen. Der 4. König hat gekämpft und das Land ist bei Bhutan geblieben. Der Landraub an Bhutan hat Tradition. Früher hat auch Assam zum Königreich gehört. Das haben die Engländer Indien zugeschlagen. An anderer Stelle haben auch die Chinesen schon am Keks geknabbert.
Freya geht auf der anderen Straßenseite zur Toilette. Da gibt es ganz kleine Hunde und tatsächlich jemanden, der Geld will. Das hat sie natürlich nicht dabei. Zu doof. Alle stehen schon am Bus. Sie aber leiht sich den geringen Betrag und geht noch mal zum Klo-Häuschen. Da hat sich aber jemand gefreut!
Kurz darauf erreichen wir Thimphu. Das Mittagessen im Hotel ist ok, aber so langsam wäre ein medium-rare Steak eine gute Sache. Nach dem Essen werden wir in die Stadt gefahren, schauen uns die Bibliothek an und gehen dann zur Post, wo man gültige Briefmarken mit dem eigenem Portraitfoto, oder was immer man sonst so auf dem Handy hat, machen lassen kann.
Danach gehen wir ein paar Ecken weiter zu einer Straße in deren Mitte sich Buden mit Handwerksartikeln aneinander reihen. Bestimmt 300-400 Meter lang. Das Angebot der Läden variiert nur unwesentlich, aber Jürgen entdeckt Papier für Freya und das ist wirklich toll.
Um 16:30 Uhr treffen wir uns wieder mit Tenzin und werden zurück zum Hotel gebracht. Das liegt völlig ab vom Schuss und auch noch an der Einfallsstraße in die Stadt. Wie kann man eigentlich auf die Idee kommen eine westliche Touristengruppe hier unterzubringen?
Bis zum Abendessen dauert es noch und die ganze Zeit im Zimmer totschlagen wollen wir auch nicht. Also marschieren wir los. Auf der Anreise heute Mittag sind wir durch ein Viertel mit vielen Autowerkstätten gefahren. Da wollen wir nun hinlaufen. Schauen wir uns halt mal an wie hier das „echte Leben“ aussieht 🌝.
Wir machen ein paar Fotos und zeigen die auch immer schön her. Auf dem Rückweg hören wir lautes Gebell. Eine Kuh läuft durchs Viertel und das passt den hier ansässigen Hunden offensichtlich nicht. Immer mehr kommen herbei und verbellen die Kuh.
Das Essen hat sich dann leider schon sehr dem indischen Geschmack angepasst. Während wir in T-Shirt oder Hemden herumsitzen, schauen wir uns die Inder in Anoraks und zwei junge Inderinnen mit rosa Pudelmütze und muffigen Gesichtern an. Witzig, vor allem weil es bei unserer Anreise in Delhi nicht wirklich heiß war.
Morgens beim Frühstück sind viele Inder im Frühstücksraum und ihre Unhöflichkeit fällt nach all den Tagen in Bhutan doch sehr negativ auf. Auch das Frühstück ist eher nicht für den westlichen Gast gedacht und selbst Freya, die wirklich gerne Dinge auch schon zum Frühstück probiert ist nicht angetan.
Die Antworten auf die Frage vom Guide wie uns denn das Hotel gefällt, fallen dann auch anders aus als er es erwartet hat. Auch heute Abend wollen wir lieber woanders essen und daher wird im Swiss Restaurant ein Tisch reserviert.
Der heutige Tag ist für die Hauptstadt Thimphu reserviert und wir haben ein durchgehendes Programm.
Wir starten hoch über der Stadt mit dem Besuch des Changangkha Lhakhang, eines ganz alten Klosters, das man aufsucht, um einen glückverheißenden Namen für Neugeborene zu erhalten oder für das Wohl seines Kindes zu beten.
Vor der heiligen Figur im Innenraum steht ein Mönch und hält in der Hand einen Teller mit Würfeln. Tenzin meint, gegen eine Spende könnte man einmal würfeln und die Zahl, die sich aus den Würfeln ergibt würde dann vom Mönch gedeutet. Dazu müsse man sich im Stillen etwas wünschen.
Die beiden Schwestern würfeln. Freya guckt Jürgen an und sagt „41“. Der sagt „Die Antwort ist 42“. Wer jetzt den Witz nicht verstanden hat, sollte mal „Per Anhalter durch die Galaxis“ lesen.
Weiter geht es zum Zoo. Hier will eigentlich keiner der Gruppe hin. Erst der Hinweis, dass es gar kein richtiger Zoo ist und dass man hier das Nationaltier der Bhutaner, den Takin sehen kann, überzeugt. Der Takin ist halb Kuh, halb Ziege und nur im Hochgebirge von Bhutan und Tibet zu finden.
Gleich am Eingang ist man als großer Mensch besonders gefordert. Das niedrige Tor geht nicht bis zum Boden, sondern endet in so zehn Zentimeter Höhe in einer Stolperfalle namens Rahmen. Man muss also die Füße heben und den Kopf einziehen. Jürgen hebt nur die Füße und haut sich voll den Kopf an. Wie oft ist ihm das jetzt schon in Bhutan passiert?
Dann gehen wir in den Park. Die Gehege sind mit dichten Gittern eingezäunt. Nur ab und zu gibt es Gucklöcher für die Fotografen. Mit einem modernen Tierpark hat das Ganze wenig zu tun. Alles in allem wären wir wohl besser unserem Instinkt gefolgt und hätten den Tagesordnungspunkt ausgelassen.
Jetzt geht es weiter zu einem Nonnenkloster in dem gerade eine Zeremonie stattfindet. Die Nonnen sitzen auf dem Boden und es ertönt ein angenehmer monotoner Singsang. Viele Menschen sind hier und schauen zu. Wir gehen bald wieder raus und entdecken hinter dem Tempel den Badnutzungsplan, sowie den obligatorischen „Streichelzoo“.
An einem Aussichtspunkt, von dem aus wir den lokalen Dzong sehen können, fragt uns Terzin ob wir diesen unbedingt besichtigen wollen. Er hätte wenig Besonderes, fotografieren wäre verboten und da er auch Verwaltungssitz ist, wäre schon der Eintritt ein bürokratischer Akt.
Er überzeugt uns und so machen wir eine kleine Stadtrundfahrt, vorbei an der indischen Botschaft, dem Gericht und dem Königspalast bis zu den großen Markthallen. Hier findet gerade der Weekend Market statt dem wir dann auch einen Besuch abstatten. Alle kaufen etwas, bei uns sind das getrocknete Pilze und Knuspermais.
Zum Mittagessen fahren wir in die Stadtmitte und laufen zu einem Restaurant im ersten Stock eines Hauses in dem es mal wieder traditionelle Küche gibt. Wir sind die einzigen Gäste und da fragt man sich schon, wie ein Lokal in dieser Lage so überleben kann. Nach dem Essen bestellen wir auf Nachfrage Kaffee. Das dauert und dauert und dann wird er von gegenüber geholt, weil hier die Kaffeemaschine kaputt ist. Das kommt uns, wenn auch nicht mit Kaffee, sehr bekannt vor (die Auflösung gibt es im Myanmar Reisebericht von 2001).
Im Anschluss besuchen wir mal wieder einen Laden mit Touristen-Schnickschnack. Es hätte sogar einen Aschenbecher mit Phallus gegeben.
Zu Fuß geht es ein kurzes Stück bergab und schon befinden wir uns mitten in einem Wettkampf von Bogenschützen. Zwei Mannschaften spielen gegeneinander und immer wenn einer das Ziel trifft stehen sie zusammen, tanzen und singen.
Bogenschießen ist Nationalsport Nummer 1 und diese hier schießen mit modernen Composite-Bögen, die bestimmt nicht billig sind. Es gibt aber auch Turniere, die noch mit klassischen handgeschnitzten Holzbögen ausgetragen werden.
Nun sollen auch wir Sport treiben - Fahrradfahren ist angesagt. Damit es aber nicht allzu anstrengend wird geht es bergab.
Wir fahren also auf den 2600 Meter hoch liegenden Buddha Point. Der dortige Buddha ist über 51 Meter hoch und wurde erst vor gut 2 Jahren eingeweiht. Das Innere beherbergt hunderte Buddha-Statuen und ist ansonsten nicht wirklich sehenswert. Die Außenanlage mit 8 großen Bodhisattva Statuen ist schon ob der Größe beeindruckend.
Wir haben einige Zeit uns umzusehen bis wir nachher den Berg hinunter fahren soll. Freya hat schon vor Tagen abgesagt. Sie ist das ganze letzte Jahr kein Fahrrad gefahren, nachdem bei ihr diffuser Schwindel aufgetreten war. Der ist zwar mittlerweile weg, aber sie will lieber zuhause langsam wieder anfangen und sicher nicht im Urlaub auf einem fremden Rad. Obwohl die Räder, anders als beim China-Urlaub, wirklich gut sind. Egal, spätestens bei dem kurzen Stück bergauf hätte Freya kneifen müssen. Sie wäre allerdings auch nicht die einzige gewesen.
Dann geht es los. Eine der Schwestern entschließt sich kurzfristig nicht mit runter zu fahren. So laufen sie und Freya gemeinsam ein Stück den Berg runter. Dabei hatte Freya schon ausgemacht, dass der Bus bei einer Toilette halten soll.
Erst beim National Memorial Chorten, bei dem wir uns alle wieder treffen kann sie dann gehen. Eine erstaunlich saubere, öffentliche Toilette. Damit hätte Freya bei dem Trubel der hier herrscht nicht gerechnet.
Vor dem Abendessen in der Stadt geht es noch mal kurz zurück zum Hotel. Wir haben ja einen Tisch im Swiss Restaurant reserviert. Angeblich soll heute viel los sein und wir sind deswegen direkt zur Öffnung da. Letztendlich werden wir aber keinen einzigen anderen Gast zu Gesicht bekommen. Unser Fahrer hat noch eine gute halbe Stunde Fahrt zu seiner Familie, die in der Nähe wohnt, vor sich. Vielleicht liegt der wahre Grund eher hier.
Jürgen und Freya ist es kalt. Daher trinken wir beide nur Tee. Wer hätte das gedacht, dass wir mal in einer Gruppe unterwegs sind wo wir den wenigsten Alkohol trinken? Zu Essen gibt es übrigens auch im Schweizer Restaurant traditionelle Bhutanische Kost.