Die Reise nach Westen - Bretagne im Regen - 1
Die Reise nach Westen
Wir fahren am Freitagnachmittag los, nachdem Jürgen aufgehört hat zu arbeiten. Die Idee ist, die üblichen Staus zwischen Stuttgart und Karlsruhe schon heute zu überwinden und dann ab morgen eine angenehmere Fahrt auf den französischen Autobahnen zu haben.
In Deutschland haben wir ein paar kleinere Staus, aber sobald wir auf die mautpflichtigen Straßen in Frankreich kommen, sind deutlich weniger Autos auf der Autobahn und das Fahren ist ziemlich entspannt.
Das Bezahlen der Maut ist ziemlich einfach, da wir unsere Kreditkarte benutzen können. Freya hat gehört, dass einige Mautstellen keine Karten akzeptieren, und so haben wir für den Fall der Fälle einen Beutel mit Münzen dabei. Während des gesamten Urlaubs werden wir sie nur einmal an einer Station benutzen müssen, an der das Kartenlesegerät defekt ist.
Nach 4 Stunden erreichen wir Woippy [↗]. Woippy ist ein Dorf in der Nähe von Metz und da dies nur ein Zwischenstopp ist, hatte Jürgen ein Hotel in der Nähe der Autobahn gebucht. Wäre es früher gewesen, hätten wir vielleicht den Bus nach Metz genommen, der in der Nähe hält, aber so werfen wir nur einen Blick auf die Drachenstatue, die wir gesehen haben, als wir den Eingang zum Hotel suchten.
Aber warum gibt es überhaupt eine Drachenstatue? Nun, das Wappen von Woippy zeigt unter anderem den Drachen Granoully [↗], der der Legende nach von St. Clemens, dem Bischof von Metz, getötet wurde.
Neben dem Hotel ist eine französische Kopie von McDonald's oder Burger King. Wir müssen wie bei vielen McDonald's über ein Display bestellen, nur dass man hier die Sprache nicht ändern kann. Aber die Bestellung eines Burgers ist ja nicht so schwierig, egal ob auf Deutsch, Englisch oder Französisch.
Auch der nächste Tag ist ein Fahrtag. Doch zunächst beginnen wir mit einem Frühstück im Hotel. Wie so oft ist es ein Selbstbedienungsbuffet, aber wir sind positiv überrascht von der Vielfalt, die es bietet.
Bevor wir uns auf die Autobahn begeben, besuchen wir noch kurz den Auchan-Supermarkt, der direkt neben unserem Hotel liegt, und kaufen Baguette, Käse und Wurst für ein Mittagessen unterwegs.
Um nicht den ganzen Tag zu fahren, machen wir einen Zwischenstopp in der Nähe von Reims. Außerhalb von Verzy befindet sich der Faux de Verzy [↗].
Dies ist ein Buchenwald, in dem die weltweit größte Sammlung von Süntelbuchen zu finden ist. Im Jahr 1998 wurden mehr als 800 Bäume gezählt. Seitdem hat sich die Zahl leicht verringert. Die schönsten Exemplare wurden von der Konkurrenz befreit und auf einem Rundweg in einem parkähnlichen Gebiet eingezäunt, um zur Touristenattraktion zu werden.
Wir haben schon an anderen Orten Süntelbuchen besichtigt und waren besonders von denen im Waldpark Semper auf Rügen begeistert. Diese Bäume haben verdrehte und ineinander verwachsene Äste. Sie wachsen mehr in die Breite als in die Höhe und sind nicht besonders hoch. Mit ihren herabhängenden Ästen bilden sie zeltartige Kronen.
Da die meisten Bäume eingezäunt sind, ist es schwierig, eine gute Komposition zu finden. Im Winter oder zeitigen Frühjahr, wenn das Laub die wunderbaren Astformen nicht mehr verdeckt, wäre es viel einfacher gewesen. Aber wenn man ein paar andere Wege als nur den vorgesehenen einschlägt, kann man auch Bäume finden, die nicht eingezäunt sind.
Zurück auf der Autobahn suchen wir uns einen Platz für ein kurzes Mittagessen mit den Leckereien, die wir heute Morgen gekauft haben. Die Rastplätze an den Mautstraßen in Frankreich sind viel schöner als die in Deutschland. Alle haben saubere Toiletten und in der Regel einige Bänke für ein Picknick. Wie auch die Straßen selbst sind sie nicht so überfüllt, da vor allem die Anzahl der LKWs viel geringer ist als auf deutschen Straßen.
Während das Wetter gestern noch schön warm war, ist es heute viel kälter und windig. Also ist es wirklich nur ein kurzes Mittagessen.
Zurück im Auto müssen wir uns nun um dieses kümmern. Schon auf den letzten Metern des Anstieges zum Wald hat das Auto nach Öl verlangt, aber der Hinweis verschwand, als das Auto gerade stand. Jetzt ist die Meldung wieder da und wir brauchen auch noch Benzin.
Der nächste Halt ist also eine Tankstelle, aber ist Diesel das gleiche wie "Gazol"? Auf den Tankstellen, die wir vorher gesehen haben, hieß es "Diesel". Ein kurzer Blick ins Internet ergibt auch keine eindeutige Antwort, also nehmen wir lieber die nächste Station.
Hier gibt es Schilder mit beiden Namen, also ist es wirklich dasselbe. Aber jetzt haben wir ein anderes Problem. Sehr oft muss man hier an der Zapfsäule bezahlen, genau wie in den USA. Doch diese hier nimmt Jürgens Tankkarte nicht an. Freya geht zum Schalter, erklärt das Problem auf Französisch - und eine super nette Frau hilft uns. Da hat sich der Auffrischungskurs doch schon ausgezahlt. Wir haben auch noch Öl gekauft und nach einer kurzen Pause mit Kaffee und Kuchen nachgefüllt.
Wir haben noch ein ganzes Stück Weg vor uns, bis wir endlich Rouen erreichen. Unser Hotel liegt etwas außerhalb des Stadtzentrums, das aber noch gut zu Fuß zu erreichen ist. Der Plan ist also, das Auto loszuwerden, einzuchecken und dann die Altstadt von Rouen [↗] zu besichtigen.
Das einzige Problem ist, das Parkhaus zu finden, da die Einfahrt einen Häuserblock entfernt und in einer anderen Straße liegt. Und natürlich steht das einzige Hinweisschild direkt über dem Eingang des Parkhauses 😠.
Es ist Samstag und im Stadtzentrum findet eine Art Festival statt. Freya wird später herausfinden, dass es sich um das "Fest des Bauches" handelt bei denen es tagsüber Street Food gibt.
Aber wir sind nicht hungrig und so ist unser erster Halt die moderne Kirche Sainte-Jeanne-d'Arc [↗]. Diese Kirche ist der Heldin Jeanne d'Arc gewidmet, die am 30. April 1431 an dieser Stelle von den Engländern als Ketzerin verbrannt wurde. In der Tat war dieser historische Ort bis fast zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts ein Hinrichtungs- und Schandplatz.
Die Glasfenster stammen aus der ehemaligen Kirche Saint-Vincent, die den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer fiel.
Von hier aus spazieren wir durch die mittelalterlichen Straßen zur "Gros Horlonge", einer überdimensionalen Uhr über einem Tor, zur Kathedrale.
Die Kathedrale von Rouen [↗] ist eine der wichtigsten französischen Kirchen im gotischen Stil. Hier wurden die normannischen Herzöge gekrönt und begraben. Es ist zu spät, als dass die Sonne diese Kirche so farbenfroh beleuchten könnte wie viele der kommenden Kirchen. Dennoch bewundern wir bereits die Fenster, nicht ahnend, wie viele noch schönere wir in den kommenden Tagen sehen werden.
Die Sonne geht jetzt unter und der Himmel färbt sich rosa und violett, was natürlich zu weiteren Fotos vom Tor mit der "Gros Horlonge" einlädt.
Aber jetzt müssen wir erst einmal ein Lokal zum Essen suchen. Freya hat auf der Speisekarte eines der Restaurants die Nachspeise Baba o'Rhum [↗] gesehen. Ihre erste und bisher einzige Begegnung mit diesem köstlichen Gericht war in Rom. Dort hat sie drei Portionen davon gegessen, weil es so lecker war. Für Jürgen ist das definitiv kein Argument, in ein überteuertes Touristenrestaurant am zentralen Marktplatz zu gehen, aber Freya nörgelt so lange, bis er aufgibt.
Leider verstehen wir beide nur Bruchteile der Speisekarte. Jürgens Bruchteil ist noch kleiner. Es ist also ein bisschen nach dem Motto: "Das ist Fisch, den nehmen wir. Du nimmst Nummer 1 und ich Nummer 3. Und dann schauen wir mal, was wir kriegen". Und natürlich die Baba für Freya.
Und was soll ich sagen, das Essen war ok, aber weit entfernt von dem, was wir dafür bezahlt haben, und selbst das Baba war nicht so, wie Freya es in Erinnerung hatte.
Es war ein ziemlich langer Tag und so machen wir uns auf den Weg zurück zum Hotel. Irgendwie kommt uns der Weg jetzt viel länger vor.